Tagsatzungsort im Spätmittelalter

Von der ersten Hälfte des 14. bis ins 16. Jahrhundert versammelten sich Gesandte verbündeter Orte aus der Innerschweiz des Öfteren in Beckenried, um hier gemeinsam über anstehende Geschäfte zu beraten oder um in einem Schiedsverfahren Streitigkeiten aus der Welt zu schaffen. Hier traten sie unter anderem 1404 zur Beilegung des Zugerhandels zusammen und hier berieten sie sich 1415 vor der Eroberung des Aargaus; hier trafen sich 1478 die Abgesandten der Länderorte, um über das Burgrecht der fünf Städte zu debattieren, und hier trafen sich 1524 die Innerschweizer Boten, um eine gemeinsame Linie gegenüber den reformierten Orten zu erarbeiten. Nach Diepold Schilling fanden die Zusammenkünfte jeweils am See unter einer Linde statt. Robert Durrer verlegte die Tagsatzungen in den Turm deren von Isenringen. Wer von beiden Recht hat, dürfte nicht herauszufinden sein, weil die Abschiede (so hiessen damals die protokollierten Beschlüsse) keine genauen Angaben zum Sitzungsort machen.

Warum Beckenried im Spätmittelalter als Tagsatzungsort beliebt war, ist schnell erklärt. Um es im mittleren Seebecken zu erreichen, brauchte man von allen peripheren Hauptorten (Altdorf, Luzern und Zug) der Innerschweiz etwa gleich lang. Die beiden Städte hatten damals noch nicht das starke politische Gewicht, das es ihnen erlaubte, ohne Rücksicht auf die vier Länder die Tagsatzungen nach Luzern oder Zug einzuberufen. Darüber hinaus fiel die fehlende Infrastruktur im Dorf am See bei zunehmender Schriftlichkeit noch weniger ins Gewicht als in den späteren Jahrhunderten. Für die Tagsatzungen der Urschweizer Stände lag es hingegen zu wenig zentral. Da eigneten sich Treib oder Brunnen besser. Deshalb verschwand Beckenried im Verlaufe des 16. Jahrhunderts aus der Liste der bevorzugten Tagsatzungsorte.

Text aus dem Mosaik Nr. 35 von Hansjakob Achermann